Trüffelgeschichte

Die vielen Gesichter der Trüffel - vom Altertum bis heute

Wer die gesamte Trüffelgeschichte studieren will braucht einen langen Atem. Es wird jedoch sicher nicht langweilig. Sie hat viele Höhen und Tiefen und ist voll von spannenden Legenden, kuriosen Ritualen, Spekulationen, aber auch Widersprüchlichkeiten und leeren Versprechungen… und hinterlässt viele Fragen und Rätsel.
Trüffel gab es schon in der Steinzeit. Der Trüffel-Mythos verbreitete sich jedoch erst richtig in der Antike. Im alten Rom und Griechenland war die Trüffel als Heilmittel und Aphrodisiakum eine sehr geschätzte Kostbarkeit. Der animalische Duft der Knolle verbreitete eine magnetisierende Anziehungskraft. Der Glaube an die erotischen Kräfte der Trüffel war bei den Römern sogar so stark, dass sie die Delikatesse ihrer Liebesgöttin Venus weihten. Auch in der griechischen Mythologie eroberte sie einen Ehrenplatz und wurde dem mächtigsten Gott gewidmet: Zeus. Er soll sich „in den Goldregen verwandelt haben, der die Prinzessin Danae schwängerte, und die Tropfen, die auf die Erde fielen, wurden zu Trüffeln. Da der Gott sich immer noch nach Danae sehnt, verwandelt er sich jedes Jahr in einen Goldregen, der im Herbst die Trüffeln wachsen lässt.“
Erst im späten Mittelalter bereitete die Kirche dem „Trüffelspaß“ ein rigoroses Ende. Auf Enthaltsamkeit bedacht verbannte sie die Liebesknolle fast von allen Tafeln. Sie galt als Inbegriff der Sünde. Das düstere Bild des unter der Erde wachsenden schwarzen Klumpens erzeugte bei den Bürgern die nackte Angst vor dem Teufel.
In der Renaissance war der Spuk größtenteils wieder verflogen. Die Trüffel war wieder in aller Munde und zog die Neugierde der Menschen auf sich. Bis weit in die Neuzeit hinein dufteten die schwarzen Diamanten vorzugsweise auf dem Bankett von Königen, Kaisern, Bischöfen, Kardinälen und Päpsten und haben in Gourmetkreisen auch heute noch einen herausragenden kulinarischen Wert. Auch gibt es heute immer noch Menschen, die die edlen Knollen genüsslich und beschwingt bei einem Glas Wein verzehren, da sie an deren potenzsteigernde Wirkung glauben. Die Glücklichen!

Pfiffige Südländer versus träge Deutsche - Jahreszahlen und Bücher

Die goldene Zeit der Trüffelernte fiel ins 19. Jahrhundert. Allein Frankreich produzierte von der Périgordtrüffel in seinen Rekordjahren wie 1868 etwa 1500 Tonnen und 1890 gar 2000 Tonnen. Derzeit waren in Frankreich 750 km² mit Trüffelbäumen bepflanzt. Einen wesentlichen Anteil an dem Erfolg hatte der Franzose Joseph Talon beigetragen. Um 1810 machte er in der Provence zahlreiche erste erfolgreiche Anbauversuche zur Trüffelzucht. Sein Pariser Großhändler Rousseau veröffentlichte schließlich 1855 seine Anleitung und löste dadurch einen regelrechten Boom in der Trüffelproduktion aus.
Die südeuropäische Küche hat schon seit jeher mehr Wert auf seltene auserwählte Leckerbissen gelegt. Darum verwundert es nicht, dass der Trüffelanbau und die zielgerichtete Suche nach wilden Trüffeln bei den Franzosen, Italienern und Spaniern schon länger praktiziert werden als in Deutschland.
Die grundlegenden Schriftwerke über europäische Hypogäen (Trüffel) wurden zunächst 1831 von dem Italiener Carlo Vittadini und schließlich 1851 von den Gebrüdern Luis René und Charles Tulasne in Frankreich veröffentlicht. Danach dauerte es fast ein halbes Jahrhundert bis sich auch in Deutschland etwas bewegte: Rudolph Hesse publizierte zwischen 1891 und 1894 das erste deutsche Werk über die unterirdisch wachsenden Pilze in zwei Bänden. Beauftragt vom königlichen preussischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten erforschte er die Hypogäen in Deutschland und stellte in seinem Buch ausführlich seine Ergebnisse über eine erfolgreiche Trüffelkultur dar.
Bei der Trägheit der Deutschen überrascht es auch nicht, dass ausgerechnet Gastarbeiter aus Südeuropa die Trüffelkultur nach Deutschland „einschleppten“. So erhielt beispielsweise der Italiener Bernhard Barnino um 1650 eine Trüffelsuchlizenz vom Fürstentum Halberstadt und um 1727 begann der Italiener Beppe Fenoglio in den Osnabrücker Kalkbergen (Creydt 1988) erfolgreich nach Trüffeln zu suchen. Im Badischen bekam der Franzose Valentin F. S. Fischer ebenfalls eine Sucherlaubnis und lehrte wie Hunde gezielt Trüffeln finden. 1812 veröffentlichte er eine "Anleitung zur Trüffeljagd".
Und wann begann der Trüffelanbau in Deutschland? Das erste Werk zum Trüffelanbau wurde 1825 von Alexander von Bornholz publiziert. Übrigens brachte schon er damals die Situation in Deutschland auf den Punkt, die wir genauso heute wieder vorfinden. Er schrieb: „Deutsche Trüffeln überlässt man den Würmern zur Nahrung und den Schweinen zur Mast. Man labt sich derweil an teurer Importware, welche der tätige Franzose oder Italiener als Handelsware ins Ausland bringt.“
Einen ganz wesentlichen Meilenstein zum Verständnis der Lebensweise von Trüffeln lieferte 1885 der Botaniker Albert Bernhard Frank. Vom preußischen Hof beauftragt, Trüffeln für die Zucht zu finden, machte er eine revolutionäre Entdeckung: Pilze sind mit bestimmten Pflanzen über deren Wurzeln zum gegenseitigen Stoffaustausch verbunden. Dieser Lebensgemeinschaft gab er den Namen Mykorrhiza.

Ein vielversprechender Aufschwung in Deutschland nahm ein abruptes Ende

Werfen wir nochmal speziell einen Blick auf unser Land. Im 18. und 19. Jahrhundert verbreitete sich in Deutschland langsam das Wissen über die Suche nach den goldenen Diamanten. Insbesondere an bayrischen Höfen war das Interesse groß. So kaufte sich beispielsweise 1719 der Markgraf von Bayreuth mehrere Trüffelhunde aus Italien. Dem Vorbild der kurfürstlichen Höfe in Bayern folgend entstand in ganz Deutschland nach und nach eine regelrechte Trüffelmania. Überall wurden Trüffelhunde ausgebildet und Trüffelbeete angelegt, in der Hoffnung die edlen Knollen zu ernten. Fortan entwickelte sich Deutschland neben Frankreich und Italien zur Trüffel-Exportnation und erreichte seinen Höhepunkt Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Viele „Trüffeljäger“, meist Waldarbeiter, verdienten sich damals ein ordentliches Zubrot. Oftmals sogar mehr als in ihrem Hauptberuf. Sie belieferten nicht nur die Großhändler, sondern überwiegend in unmittelbarer Nähe Restaurants und Wurstfabriken, in denen die Trüffel zu Trüffelleberwurst verarbeitet wurden. Historische Wareneingangs- und Ausgangsbücher von 1912-21 geben Auskunft über das geschäftliche Treiben von Trüffelhändlern. Aus den Unterlagen eines einzelnen Trüffelgroßhändlers geht ein Umsatz von mehreren Tausend Kilo pro Jahr hervor! Die Abnehmer waren entfernte Hotels, kirchliche Fürsten und andere Geistliche und Adlige im In- und Ausland. In den dreißiger Jahren zeichnete sich dann ein massiver Rückgang der Trüffelkultur ab und endete schließlich im absoluten Stillstand.

Deutschland - das vergessene Trüffelland

Bis ca. 1921 fungierte Deutschland also als Trüffel-Exportland - demnach gab es Trüffel im Überfluss. Heute geht Otto-Normalverbraucher davon aus, dass es in Deutschland überhaupt keine Trüffel gibt. Kein Wunder! In der Literatur gelten Trüffel der Gattung Tuber als „verschollen“ und bestenfalls als „gefährdet“. Erst seit ein paar Jahren erwacht Deutschland aus seinem Tiefschlaf. Es entwickelt sich allmählich wieder eine „Trüffelszene“ und das Thema Trüffel ist zunehmend in den Medien vertreten. Man blickt also nicht immer in ein völlig überraschtes Gesicht, wenn man von „Trüffeln in Deutschland“ spricht.
1993 redete der bekannte Mykologe Kriegelsteiner von „nur noch 20 Trüffelstellen in Deutschland“. 2014 hatte die Forschungsgruppe Hypogäen (Trüffel) bereits in allen Bundesländern Tuber aestivum nachgewiesen und kommt zunehmend zu der Erkenntnis, dass es auch bei uns Trüffel in Hülle und Fülle gibt. Allein in Niedersachsen wurden über 2000 Trüffelstellen entdeckt. Hinzu kommen noch Trüffelarten, die längst als „verschollen“ galten.
Nun kommen wir also zu der berechtigten Frage wie etwas so Unglaubliches geschehen konnte, dass Wissen und Erfahrung über eine Ressource verloren ging, die auch wirtschaftlich ein großes lukratives Potenzial darstellt? Hierüber kann nur spekuliert werden. Da es in Deutschland offiziell keine Trüffel gibt, existiert darüber auch keine aufschlussreiche Literatur. Eine umfangreiche Recherche ist nötig, um die wenigen alten Aufzeichnungen, die darüber zu finden sind, zu einem aussagekräftigen Mosaik zusammenzubasteln. Fangen wir mal an…

Nachforschungen zufolge waren an der Trüffelsuche keine Frauen beteiligt. Das Wissen um die Trüffel-Fundstellen und die methodische Trüffelsuche war allem Anschein nach „Männergeheimnis“, d.h. es wurde innerhalb der Familie nur vom Vater an die Söhne „vererbt“. Detaillierte Aufschriebe über diese Kenntnisse existieren so gut wie keine, höchstwahrscheinlich weil die Männer ihr kostbares Wissen wie ihren Augapfel hüteten oder vielerorts einfach nicht schreiben konnten. Die zwei Weltkriege haben letztendlich ganz entscheidend zum Untergang der deutschen Trüffelkultur beigetragen. Die „Trüffeljäger“ sind mit ihren Geheimnissen rund um die Trüffel an der Front umgekommen. Die „trüffelfeindliche Ernährungspolitik von Seiten der Nazis“, wie sie in dem Buch „Trüffeln - die heimischen Exoten“ von Jean-Marie Dumaine genannt wird, hat sicher auch einen Teil dazu beigetragen dass Deutschland in der Nachkriegszeit als Trüffelnation nicht mehr auf die Beine kam. Hinzu kamen ständig steigende Sammellizenzgebühren und Rechtskonflikte über Sammelrechte, wodurch immer weniger „Trüffeljäger“ aktiv waren.
Neben den Auswirkungen der zwei Weltkriege tragen sicherlich noch weitere Faktoren zum Verschwinden der deutschen Trüffelkultur bei. Glauben statt Wissen! Ja, es mag sich vielleicht komisch anhören, aber letztendlich ist die Aussage über ein trüffelarmes Deutschland in der Literatur eine Fehleinschätzung aufgrund des Glaubens. Registriert sind bisher nur Zufallsfunde. Tatsächlich hat sich niemand die Mühe gemacht unser Trüffelvorkommen ernsthaft zu überprüfen, was letztendlich darauf zurückzuführen ist, dass das entsprechende Know-how für die systematische Suche der schwer auffindbaren unterirdischen Pilze verloren ging. Selbst in meinem Biologie-Studium wurde ich an der Universität über die sehr seltenen Trüffeln gelehrt. Will man Genaueres wissen muss man schon eher die „Nicht-Experten“ in potenziellen Trüffelgebieten befragen, wie z. Bsp. Restaurant- oder aufmerksame Hundebesitzer. Hier bekommt man schon des Öfteren eine fast selbstverständliche Antwort wie etwa: „Na klar, ab und zu werden mir solche Dinger schon gebracht.“